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Ausgabe Karlstadt
vom Samstag, den 20. April 2013
von Rainer Hain |
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Satirischer Blick zurück auf eigenes junges wildes Leben
Rasante Poetry-Slam-Lesung mit Christian Ritter vor vielleicht zu jungem Publikum im Theater in der Gerbergasse
Die Veranstaltungsreihe „Karlstadter Lesart“ hatte zum „Poetry-Slam-Programm“ mit Autorenlesung ins Theater in der Gerbergasse eingeladen. Die Grundidee eines solchen „Dichterwettstreits“ ist normalerweise, dass selbst geschriebene oder improvisierte Texte innerhalb einer vorgegebenen Zeit (meist sieben Minuten) unter Mitwirkung des Publikums vorgetragen werden. Dabei geht es recht lebendig zu, der Autor ist nicht nur der Urheber seiner Texte, sondern auch Darsteller, der das, was er zu sagen hat, unter tätiger Mithilfe der Teilnehmer über „die Rampe bringt“.
Autor Christian Ritter, Jahrgang 1983, gibt Schreib- und Slam-Workshops in Schulen, aber mit der Schülerbeteiligung hatte es an diesem Tag nicht zum Besten gestanden, also gab es am Abend nur eine „Wasserglas-Autorenlesung“ des Slam-Poeten. Allerdings eine, die es in sich hatte.
Ritter kommt aus Königshofen im Taubertal, „Badisch- Sibirien“, wie er es nennt, und er liest aus seinem Buch „Geschlechtsverkehr, eine Einführung“. Denkt man bei diesem Gag noch anfänglich an unfreiwillige Komik, merkt man gleich, frei nach Hamlet: „Ist es auch Wahnsinn, hat es doch Methode.“ Sehr anspielungsreich und voll beißender Ironie legt er ein atemberaubendes Sprechtempo vor.
Was er satirisch beschreibt und auch gekonnt überzeichnet, sind autobiografische Alltagssituationen aus der Perspektive eines reflektierten Jugendlichen beziehungsweise Studenten, surreale Komponenten inklusive, die einer realistischen Betrachtungsweise oft anhaften. So durchschreitet er die Räume seiner Persönlichkeitsentwicklung als Spätpubertierender Zug um Zug und legt darin eine ungeheure Exaktheit an den Tag. Er bringt durch seine deftige Sprache, vor allem, wenn es um Sexualität geht, die zahlreich anwesenden Schüler reihenweise zu übertriebenem Kichern. Gelungen sind seine Semesterrückblicke, in denen er seine Studienzeit vor dem geistigen Auge Revue passieren lässt. Seine Darbietung ist eine Aufforderung an die jungen Leute, es ihm gleichzutun, Spaß am Schreiben zu entwickeln und in einen kommunikativen Austausch zu treten. Allerdings kamen aus dem Kreis der Zuhörer, die für dieses Unterfangen vielleicht noch etwas zu jung waren, kaum anregende Zurufe, auf die er in Slam-Manier hätte eingehen können.
Unklar blieben ein paar Ungereimtheiten am Ende: Ritter will partout nicht gefragt werden, wie er auf seine Ideen komme oder ob man von Poesie leben könne. Schade. Für junge Liebhaber moderner Poesie sind dies vitale Fragen. |
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